Börse und Psychologie gehen oft Hand in Hand. Dass psychologische Faktoren eine wichtige Rolle beim täglichen Auf und Ab an der Börse spielen, ist nicht erst seit gestern bekannt. Nicht umsonst gilt Börsenpsychologie als wichtige Disziplin. Oftmals entscheiden nämlich nicht Umsätze und Gewinne darüber, ob Anleger Aktien kaufen oder verkaufen, sondern psychologische Effekte, die deren Wahrnehmung beeinflussen.
Eine Hausse lässt die Stimmung steigen
Am besten lässt sich dies beispielhaft am Börsenzyklus darstellen. Unmittelbar nach dem Ende einer Krise ist die Stimmung an den Märkten auf einem Tiefpunkt. Viele Anleger haben sich womöglich die Finger verbrannt und sind nun bei ihren Investments erst einmal vorsichtiger.
Beginnen die Kurse nun jedoch zu steigen, verändert sich die allgemeine Stimmungslage allmählich. Mit jedem wirtschaftlichen Aufschwung geht auch ein Aufschwung an der Börse einher. Im Laufe der Zeit beginnt die anfängliche Skepsis einem neuen Optimismus zu weichen. Die Bullen übernehmen das Ruder.
Je länger eine solche Hausse (Kursaufschwung) anhält, desto größer wird das Kontrollempfinden vieler Marktteilnehmer. Das Gefühl, alles richtig zu machen, wird durch die steigenden Kurse bestätigt und die Risikobereitschaft wächst. In einer solchen Phase neigen die meisten Anleger nun dazu, vermehrt positive Nachrichten zu vernehmen. Negative Nachrichten werden hingegen als unwichtig abgetan.
In der Euphorie nimmt die Gier überhand
Steigen die Kurse weiter, schlägt die Stimmung an der Börse irgendwann in Euphorie um. Anleger blicken auf steigende Kurse in den vergangenen Monaten und Jahren zurück und haben nun ein sehr starkes Kontrollempfinden.
Viele Anleger sind aufgrund ihrer Erfolge davon überzeugt, selbst hervorragende Arbeit bei der Wahl ihrer Aktien zu leisten. Wenn die Kurse jedoch auf breiter Front steigen, ist es relativ einfach, auf das richtige Pferd zu setzen. Die meisten Privatanleger realisieren dies jedoch nicht und klopfen sich stattdessen gerne selbst auf die Schulter.
Angetrieben von vergangenen Erfolgen und der allgemeinen Euphorie am Markt gewinnt die Gier bei vielen Anlegern die Überhand. Viele sind bereit, immer größere Risiken einzugehen. Eine objektive Bewertung von Chancen, Risiken und Fundamentalzahlen tritt zunehmend in den Hintergrund.
Eben jene Euphorie und Gier führen wiederum dazu, dass sich nun immer größere Blasen bilden. Selbst wenn die zugrunde liegenden Zahlen dies eigentlich nicht länger rechtfertigen, steigen dennoch immer mehr Anleger ein. Eine hierbei oft beobachtete psychologische Triebfeder wird im englischsprachigen Raum als FoMO bezeichnet – Fear of Missing Out. Weil Anleger sehen, wie alle anderen Geld verdienen, haben sie Angst, selbst außen vor zu bleiben, und steigen ohne Rücksicht auf Risiken ein.
Sorglosigkeit wird zu Panik
Irgendwann geht jedoch jede Hausse einmal zu Ende. Manchmal geschieht dies in einem plötzlichen Crash. In anderen Fällen verschlechtert sich die Situation erst langsam, ehe die Kurse wirklich einbrechen.
Auch in diesen Situationen spielt die allgemeine Gefühlslage wieder eine große Rolle. Wie bereits erwähnt neigen Anleger während einem Bullenmarkt dazu, positive Nachrichten, die ihren Glauben an ein Fortwähren der Hausse untermauern, stärker zu gewichten als negative Nachrichten. Vermehren sich die negativen Nachrichten nun aufgrund sinkender Kurse, wird dies von vielen wegrationalisiert.
Anstatt auf mögliche Warnsignale zu reagieren, sehen Anleger fallende Kurse nur als Möglichkeit an, günstig nachzukaufen, ehe die Kurse wieder steigen. Gefüttert wird dieses Verhalten vom Irrglauben an die eigene Kontrolle.
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Beginnen die Kurse nun allmählich damit, stark zu fallen, dreht sich die Stimmung aber irgendwann ins Negative. Das vorherige Gefühl der Kontrolle weicht einem Gefühl des Kontrollverlustes.
Irgendwann macht sich Panik breit. Dieses Gefühl der Panik ist besonders gefährlich, da es sich rasend schnell ausbreiten kann. Verlustangst gehört zu den Urängsten des Menschen. Aus Angst, alles Geld, welches man sich erarbeitet hat, zu verlieren, kommt es bei vielen Anlegern zu einer Kurzschlussreaktion und Panikverkäufen, selbst wenn dadurch überhaupt erst Verluste realisiert werden.
Wichtig ist hierbei zu berücksichtigen, wie sich der psychologische Filter für die Nachrichtenlage zunehmend ins Negative verschiebt. Macht sich erst einmal Panik breit, werden Nachrichten meist nur noch durch eine negative Brille gesehen.
Erst, wenn die Krise ihren Tiefpunkt durchschritten hat und die Kurse wieder langsam steigen, beginnt der negative Nachrichtenfilter wieder, sich hin in Richtung Neutralität zu verschieben. Nun fängt der Zyklus auf ein Neues an.