Wer den entscheidenden Schritt an die Börse gewagt hat, hat bald schon die „Qual der Wahl“. Aus mehreren zehntausend gelisteten Unternehmen soll ein Portfolio mit ungefähr 15 Werten zusammengestellt werden. Kein Wunder, dass viele Anfänger ihr Depot angesichts dieser Mammutaufgabe direkt wieder auflösen möchten. Um ein Unternehmen qualitativ zu bewerten, sind zwei Faktoren entscheidend: Fachwissen und die Bereitschaft, Geschäftsberichte und Bilanzen genau zu prüfen.
Doch auch ein Anfänger an der Börse kann sich an die Unternehmensbewertung herantasten. Werden dabei einige grundlegende Kriterien beachtet, fallen viele Firmen sowieso aus dem Raster. Man wird feststellen, dass nur wenige Marken wirklich ein interessantes Investment sind. Diese Aufzählung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, stellt aber dennoch drei wichtige Merkmale vor.
Statik und Dynamik
Egal wie gut ein Geschäftsmodell ist – wenn das nötige Kleingeld fehlt, wird es schwierig. Die finanzielle Statik ist eine der wichtigsten Komponenten bei der Entscheidung für oder gegen eine Aktie. Eine gute Eigenkapitalquote ist nicht nur ein Bollwerk in Krisen, sondern schützt auch davor, dass hohe Zinsen des Fremdkapitals die Gewinne auffressen. Ein gutes Finanzpolster verhindert also, in schwierigen Zeiten neues Fremdkapital aufnehmen zu müssen. Was als akzeptable Eigenkapitalquote gilt, kann nicht pauschal beurteilt werden, unter 20% sollte sie aber nicht liegen.
In Zusammenhang mit anderen Kennzahlen aus der Bilanzanalyse ergibt sich ein Gesamtbild des Unternehmens. Wird aber auf den ersten Blick schon deutlich, dass ein Großteil des Anlagevermögens fremdfinanziert ist oder nur wenige liquide Mittel vorhanden sind, sollte man schon genauer hinschauen. Grundsätzlich müssen diese Zahlen zwar auch im Kontext beurteilt werden, aber erste Alarmzeichen sind sie doch.
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Natürlich möchte ich aber auch wissen, was aus meinem angelegten Geld wird. Die Dynamik ist also ebenso ein entscheidender Faktor. Das Unternehmen sollte möglichst konstant steigende Umsätze und Gewinne vorweisen können. Die Gewinne können aber durch bilanzpolitische Schachzüge geschönt werden, daher sollte in jedem Fall noch der operative Cashflow des Unternehmens betrachtet werden. Dieser gibt Aufschluss darüber, wie viel Geld der Firma tatsächlich durch das operative Geschäft zugeflossen ist. Ist auch hier eine steigende Tendenz zu beobachten, kann das Unternehmen genauer geprüft werden.
Burggraben
Diese mittelalterliche Metapher spiegelt die „Uneinnehmbarkeit“ einer Firma wider. Wie tief ist der Burggraben eines Unternehmens? Ist er zusätzlich mit Wasser gefüllt und dadurch kaum zu bezwingen? Hat eine Marke genau diese Stellung am Markt, ist das ein gutes Zeichen. An der Börse schützt ein tiefer Burggraben vor den Konkurrenten aus der Branche – ähnlich wie die Eindringlinge aus früheren Zeiten sollen diese auf Distanz gehalten werden.
Im Falle von Unternehmen sprechen wir nicht mehr von Wasser oder Zugbrücken, sondern von klaren Wettbewerbsvorteilen, die ein langfristiges Wachstum garantieren. Zu diesen Vorteilen zählen Patente, besonderes Know-How, Kostenvorteile oder starke Marken. Sobald ein Unternehmen mit einer bestimmten Technik ein Problem von Kunden besser, schneller, nachhaltiger oder günstiger löst, ist ein Burggraben entstanden.
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Das eigene Geschäftsmodell ist dadurch gegen Plagiate und Nachahmung geschützt. Dadurch erhält die Firma eine Stellung, die an eine mittelalterliche Burg erinnert. Hoch oben und gut geschützt thront sie mit Ausblick über den gesamten Markt. Diese Festung ist durch kaum etwas mehr einzunehmen. Anleger gewinnen mit diesen Aktien also vor allem Sicherheit für ihr Portfolio. Meist bringen einzig technische Neuerungen (Disruptionen) oder schlechte Entscheidungen des Managements diese Aktien zu Fall. Das führt uns zum nächsten Punkt.
Management
Bei der Bewertung eines Unternehmens ähnelt man einem Detektiv. „Harte“ Fakten wie die Finanzierung lassen sich relativ schnell aus der Bilanz herauslesen. Für andere Kriterien muss man schon etwas gründlicher recherchieren. Eine wichtige Komponente ist das Management. Man könnte beispielsweise herausfinden, wer das Unternehmen leitet, was diese Person vorher getan hat und wie die Referenzen von ihr aussehen. Auch kann man natürlich schauen, wie sich der CEO des geprüften Unternehmens äußert. Teilweise fallen Manager mit sehr übertriebenen Vorhersagen auf oder flüchten sich in nichtssagende Rhetorik. Es macht ebenfalls Sinn, die genannten Zukunftsprognosen aus der Vergangenheit mit den tatsächlich eingetroffenen Zahlen abzugleichen.
Sicher, jeder macht Fehler – aber wenn der CEO Jahr für Jahr vollmundig immense Gewinnsprünge ankündigt, das Unternehmen diese aber nicht hält, sollte man stutzig werden. Warren Buffett prägte einmal den Satz, man solle nur in Unternehmen investieren, die jeder Idiot leiten könne, denn genau das wird einmal passieren. Leider hat die Vergangenheit gezeigt, dass schlechte Managemententscheidungen Firmen durchaus ruinieren können. Man sollte also in die Rolle eines Ermittlers schlüpfen und der Führungsebene etwas auf den Zahn fühlen.
Fazit: Nicht einfach, aber machbar
Eine genaue Aktienanalyse ist zeitaufwändig und anspruchsvoll. Der Aufwand lohnt sicher aber, sobald das eingesetzte Geld sich vermehrt. Diese Arbeit sollte also keinesfalls gescheut werden. Die drei genannten Merkmale signalisieren, welche Unternehmen genauer geprüft werden können.